Die sichtbaren und unsichtbaren Kosten von Büchern mit Farbschnitten

Sie sind der letz­te Schrei und machen sich optisch toll im Bücher­re­gal: Farb­schnit­te — die (meist) far­big bedruck­ten Sei­ten eines Buch­schnitts. Doch was sich gera­de gro­ßer Beliebt­heit erfreut, hat lei­der vie­le Schat­ten­sei­ten, über die ich mich schon eini­ge Male bei Insta­gram auf­ge­regt habe. Da die Zei­chen dort aller­dings begrenzt sind, wur­de es Zeit für einen Blog­ar­ti­kel, der das The­ma Farb­schnitt in Gän­ze behandelt.

Viel Spaß!

Was ist überhaupt ein Farbschnitt?

Der far­bi­ge Buch­schnitt (oder auch Farb­schnitt) meint ein Bema­len oder digi­ta­les Bedru­cken der Schnitt­kan­ten des Buch­blocks. Als es den Buch­druck in der Form, wie wir ihn heu­te ken­nen, noch nicht gab, wur­den die Schnitt­kan­ten zum Schutz des Buches per Hand bemalt. Mitt­ler­wei­le gibt es meh­re­re tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten, die­se Schnitt­kan­ten far­big zu gestal­ten. Für einen ein­far­bi­gen Schnitt wer­den die Sei­ten meist besprüht, die aller­meis­ten Farb­schnit­te heut­zu­ta­ge wer­den aller­dings digi­tal auf­ge­druckt, was auch die Viel­falt an Moti­ven und Far­ben erklärt.

Aber nicht in allen Gen­res erfreu­en sich die far­bi­gen Buch­schnit­te einer sol­chen Beliebt­heit. Was für New Adult Romance und Fan­ta­sy schon fast zur Nor­ma­li­tät gewor­den ist, scheint in ande­ren Gen­res (z. B. His­to­ri­scher Roman, Zeit­ge­nös­si­scher Roman oder Kri­mi und Thril­ler) eher unüb­lich, was viel­leicht einen Zusam­men­hang mit der Social-Media-Nut­zung der Ziel­grup­pe haben könn­te. Vor ein paar Jah­ren waren die Farb­schnit­te übri­gens über­wie­gend für Spe­cial Edi­ti­ons und Buch­bo­xen gedacht und gehör­ten noch nicht zur »Stan­dard­aus­stat­tung« eines Buches.

Die sichtbaren und unsichtbaren Kosten eines Farbschnitts

Ein Buch mit Farb­schnitt sieht natür­lich toll aus, doch was vie­le ger­ne ver­ges­sen, ist, dass ein far­bi­ger Buch­schnitt auch in der Her­stel­lung ent­spre­chend viel Inves­ti­ti­on benö­tigt. Eine in den oben genann­ten Gen­res übli­che Klapp­bro­schur kos­tet in der Her­stel­lung zwi­schen 3–6 € (je nach Auf­la­gen­grö­ße, Sei­ten­an­zahl, Papier­aus­wahl, Cover-Ver­ed­lung und Dru­cke­rei). Ein digi­ta­ler Farb­schnitt kommt dann mit 2–3 € pro Buch noch dazu. Das macht allein einen Her­stel­lungs­preis von 5–9 € pro Buch.

Davon sind weder der Ver­trieb des Buches, wei­te­re Goo­dies und Mar­ke­ting­kam­pa­gnen noch Desi­gnen­de, Lek­to­rie­ren­de und Kor­ri­gie­ren­de bezahlt. Von den Arbeits­stun­den, die ein schrei­ben­der Mensch in sein Buch gesteckt hat, will ich gar nicht erst anfan­gen. Kein Wun­der also, dass in Zei­ten von Papier­man­gel und Farb­schnitt­wut die Prei­se für Bücher ange­ho­ben wer­den müs­sen. Und das wie­der­um ruft Wut und Unver­ständ­nis bei den Lesen­den her­vor, die jah­re­lang rela­tiv sta­bi­le Prei­se für Bücher gewöhnt waren. Zuletzt gese­hen zum Bei­spiel auf Tik­Tok, wo gegen einen Ver­lag gehetzt wur­de, der sei­nen stan­dard­mä­ßi­gen Buch­preis von 12,99 € auf 14,00 € ange­ho­ben hat.

Auch wenn Feh­ler pas­sie­ren, sind die Ver­la­ge und Schrei­ben­den die ers­ten, die dar­un­ter zu lei­den haben. Man den­ke nur an das rela­tiv aktu­el­le Farb­schnitt-Dra­ma zu »Fourth Wing« von Rebec­ca Yar­ros, bei dem nicht alle Vor­be­stel­len­den einen Farb­schnitt erhal­ten haben, sodass sich der Ver­lag gezwun­gen sah, als Wie­der­gut­ma­chung Bücher zu ver­schen­ken (so gese­hen in einer Insta­gram-Sto­ry des Ver­lags am 21.06.2023). Hin­ter so einer Akti­on ste­cken nicht nur Kos­ten für die ver­schenk­ten Bücher, son­dern auch für die Mit­ar­bei­ten­den im Ver­sand und Mar­ke­ting, die hier aktiv dar­an arbei­ten, einen Shit­s­torm zu vermeiden.

Exkurs: Auflagenhöhe und Verfügbarkeiten von Farbschnitten

Doch wie kann so was über­haupt pas­sie­ren? Wie­so kann es sein, dass bei einer Vor­be­stel­lung nicht alle ein Buch mit Farb­schnitt bekom­men? Ich kann natür­lich nicht hin­ter die Kulis­sen des Ver­lags bli­cken, des­we­gen ken­ne ich die tat­säch­li­chen Grün­de nicht. Hier aber mal eine Erklä­rung, die rela­tiv all­ge­mein­gül­tig sein dürfte:

Ein gro­ßer Ver­lag plant in der Regel in Auf­la­gen­hö­hen. Dazu zieht er die Reso­nanz aus dem Buch­han­del aus Ver­tre­tungs­ge­sprä­chen, bei Über­set­zungs­ti­teln die Beliebt­heit im Aus­land sowie tat­säch­li­che Vor­be­stel­lun­gen in Betracht und plant dem­entspre­chend eine Erst­auf­la­ge, die etwa 4–6 Wochen vor der Ver­öf­fent­li­chung des Buches in den Druck geht.

Manch­mal kommt es inner­halb die­ses Zeit­raums dazu, dass die Vor­be­stel­lun­gen rapi­de anstei­gen, weil das Buch einen regel­rech­ten Hype erfährt. Im Fall von »Fourth Wing« war es zum Bei­spiel so, dass die eng­lisch­spra­chi­ge Ver­si­on erst Anfang Mai 2023 (also etwa sechs Wochen vor Release der deut­schen Ver­si­on) ver­öf­fent­licht wur­de, sodass sich die Beliebt­heit im eng­lisch­spra­chi­gen Raum zum Zeit­punkt des Druck­auf­tra­ges noch gar nicht wirk­lich abschät­zen ließ. Dort ging das Buch dann aber durch die Decke, was sich natür­lich auch auf den deutsch­spra­chi­gen Buch­markt aus­ge­wirkt hat.

Sobald ein Ver­lag merkt, dass sich die Erst­auf­la­ge aus­ver­kauft, gibt er eine zwei­te Auf­la­ge in Auf­trag. Die­se ist in der Regel ohne Farb­schnitt, da die Wahr­schein­lich­keit, die­se kom­plett aus­zu­ver­kau­fen, deut­lich gerin­ger ist. Wenn es nun aber mehr Vor­be­stel­lun­gen als Exem­pla­re der Erst­auf­la­ge gibt, geht die zwei­te Auf­la­ge direkt mit in den Ver­kauf. So kommt es dann vor, dass man­che Lesen­den trotz Vor­be­stel­lung ein Exem­plar ohne Farb­schnitt erhalten.

Aber: Ich arbei­te weder für noch mit dem Ver­lag, das ist also nur mei­ne Ein­schät­zung aus dem, was ich über die Buch­bran­che weiß. Es kann sich tat­säch­lich auch ganz anders abge­spielt haben. 😉

Warum werden Farbschnitte zum Problem?

Eini­ge der eher pro­ble­ma­ti­schen The­ma­ti­ken habe ich ja bereits ange­ris­sen. Da ist zum einen der Kos­ten­fak­tor, der uns alle betrifft. Gleich­zei­tig ist es im New-Adult-Romance- und Fan­ta­sy-Bereich mitt­ler­wei­le schon fast so, dass ein Buch mit Farb­schnitt zum Stan­dard gewor­den ist. Wer da nicht mit­hal­ten kann (z. B. Schrei­ben­de, die kei­nen Spit­zen­ti­tel im Ver­lags­pro­gramm haben, oder Men­schen, die im Self-Publi­shing ver­öf­fent­li­chen), ver­kauft dem­entspre­chend schlech­ter, ver­dient weni­ger an sei­ner Arbeit und ist schnel­ler entmutigt.

Aus mei­nem letz­ten Insta­gram-Bei­trag zum The­ma lese ich in den Kom­men­ta­ren eine ähn­li­che Stim­mung unter Schrei­ben­den her­aus: Keine*r weiß, wie lan­ge das noch gut­geht. Das schürt Angst unter den Schrei­ben­den, und wie wir alle wis­sen, hemmt Angst die Krea­ti­vi­tät. Apro­pos Krea­ti­vi­tät — die­se brau­chen die Schrei­ben­den mitt­ler­wei­le schon fast mehr, um neue Wege der Ver­mark­tung (bes­se­re Goo­dies, coo­le­re Aktio­nen, top aus­ge­stat­te­te Bücher) zu fin­den, statt beson­de­re Geschich­ten zu schrei­ben. Ist das nicht echt traurig?

Der Wunsch nach farbigen Buchschnitten ist groß, die Folgen für Verlage und Umwelt noch größer

Auch unter Lesen­den geht es oft nicht mehr um die Geschich­te an sich, son­dern nur noch um die Goo­dies oder den Farb­schnitt. Da wer­den oft genug Bücher nur noch wegen des Farb­schnitts gekauft und ins Regal gestellt, um sie dann mona­te­lang zu ver­ges­sen oder im schlimms­ten Fall aus­zu­sor­tie­ren, weil sie dann doch nicht mehr so wirk­lich inter­es­sie­ren (hal­lo, nach­hal­ti­ger Konsum!).

Genau­so ist die Angst davor, kein Exem­plar mit Farb­schnitt zu erhal­ten, offen­bar schon so groß, dass direkt meh­re­re Bücher vor­be­stellt wer­den und die ohne Farb­schnitt dann zurück­ge­schickt wer­den. Im Fall von ein­ge­schweiß­ten Hard­co­vern ver­mut­lich noch kein all­zu gro­ßes Pro­blem, bei Klapp­bro­schu­ren mit emp­find­li­cher Ver­ede­lung kann die­ses Vor­ge­hen dann aber dazu füh­ren, dass die­se Bücher nicht mehr zurück in den Ver­kauf gehen kön­nen, son­dern schon kurz nach Release ver­ramscht (also z. B. als Män­gel­ex­em­pla­re) wei­ter­ver­kauft wer­den oder — wenn sie sich nicht abver­kau­fen las­sen — ver­nich­tet wer­den. Die­ser gan­ze Farb­schnitt­wahn ist also auch eine öko­lo­gi­sche Vollkatastrophe.

Dann gibt es auch noch das ande­re Extrem, näm­lich Men­schen, die zig Mal den glei­chen Buch­ti­tel vor­be­stel­len, um die Exem­pla­re mit Farb­schnitt teu­er auf Ebay Klein­an­zei­gen wei­ter­zu­ver­kau­fen. Hier möch­te ich ger­ne dar­auf hin­wei­sen, dass ihr dafür ein Klein­ge­wer­be anmel­den müsst, weil ihr eine Gewinn­ab­sicht ver­folgt. Habt ihr das nicht, ist das Steu­er­hin­ter­zie­hung. Von einem Ver­stoß gegen die Buch­preis­bin­dung ganz zu schwei­gen (wenn ihr Mit­glied im Bör­sen­ver­ein seid, könnt ihr so was übri­gens auch an die Rechts­ab­tei­lung dort mel­den).

All das führt auch zu finan­zi­el­lem Stress bei Lesen­den, denn die­se sehen sich immer häu­fi­ger gezwun­gen, die Bücher vor­zu­be­stel­len oder direkt zum Release zu kau­fen, da sie ansons­ten kei­ne Chan­ce mehr auf beson­de­re Aus­stat­tun­gen haben, es sei denn, sie wol­len dafür hor­ren­des Geld bezah­len. Dadurch gibt es sicher eini­ge Men­schen, die zu viel Geld für Bücher aus­ge­ben, was ihnen dann an ande­rer Stel­le fehlt.

Wenn zudem auch noch ein Feh­ler mit dem Farb­schnitt pas­siert (so gesche­hen zum Bei­spiel mit »When the Stars Col­l­i­de« von Cari­na Schnell), wer­den schnell die Stim­men laut, eine gesam­te Auf­la­ge mit Büchern zu ver­nich­ten und das her­stel­len zu las­sen, was auch ange­prie­sen wur­de. Im kon­kre­ten Fall war es so, dass es einen Farb­schnitt des Ver­lags gab und einen Farb­schnitt der Bücher­büch­se, die bei­de in der glei­chen Dru­cke­rei gefer­tigt wur­den. Durch einen Feh­ler in der Her­stel­lung hat­te die gesam­te ers­te Auf­la­ge den Farb­schnitt der Bücher­büch­se, und den ver­lags­ei­ge­nen für den drit­ten Teil der Rei­he gab es gar nicht. Dabei wird aber ver­ges­sen, wel­che finan­zi­el­len, öko­lo­gi­schen und auch sozia­len Fol­gen das eigent­lich hat. Der Ver­lag schrieb in einem Pos­ting, dass es sich bei der Auf­la­ge um 6 Ton­nen Papier han­delt, die ver­nich­tet wer­den müss­ten — und ent­schied sich im Sin­ne der Nach­hal­tig­keit gegen eine Vernichtung.

Wie könnte es mit farbigen Buchschnitten in Zukunft weitergehen?

Kei­ne Fra­ge, ein far­bi­ger Buch­schnitt ist hübsch anzu­se­hen. Als Autorin wün­sche ich mir für mei­ne Bücher einen Farb­schnitt, weil ich weiß, dass sie sich dann deut­lich bes­ser ver­kau­fen wer­den. Gleich­zei­tig ist da aber auch die­se Stim­me der Ver­nunft in mir, die möch­te, dass die­ser Farb­schnitt­wahn ein Ende hat.

Mei­net­we­gen kön­nen wir ger­ne dahin zurück­keh­ren, dass Farb­schnit­te nur in Spe­cial Edi­ti­ons für Bücher erhält­lich sind, die sich einer extrem gro­ßen Fan­ge­mein­de erfreu­en. Zumin­dest aber bit­te nur noch einen Farb­schnitt pro Buch.

Oder wir gehen gleich den gan­zen Weg und machen Farb­schnit­te WIRKLICH zur Stan­dard­aus­stat­tung einer Klapp­bro­schur oder eines Hard­co­vers (auch in wei­te­ren Auf­la­gen), ermög­li­chen das also für alle Schrei­ben­den und Lesen­den, und pas­sen die Buch­prei­se ent­spre­chend an. Und bis dahin hilft lei­der nur ein DIY, falls ihr kein Exem­plar mit Farb­schnitt mehr bekom­men habt. Dafür habe ich euch ein paar schö­ne Tuto­ri­als raus­ge­sucht — für mehr Krea­ti­vi­tät und weni­ger digi­ta­les Ellbogenrumgeboxe.

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