Contentwarnungen und Jugendschutz in der Buchbranche
Was sind Contentwarnungen? Brauche ich das als Autor:in? Vielleicht sogar eine Altersempfehlung? Dank BookTok, süßen Comic-Covern und einer zunehmenden Anzahl an Dark-Romance-Titeln im stationären Buchhandel sind Triggerwarnungen und Jugendschutz Themen, die so relevant sind wie nie zuvor. Und wie immer scheiden sich darüber die Geister. Viele Menschen wünschen sich eine bessere Deklaration von Büchern, wieder andere wollen sich nicht zensieren oder einschränken lassen. In diesem Artikel erfährst du, was Triggerwarnungen sind (und was nicht), und wie Jugendschutz auch in Zeiten von BookTok realisierbar ist.

Was sind Triggerwarnungen?
Zunächst einmal für alle, die sich bis hierhin schon allein vom Wort Triggerwarnung „getriggert“ (umgangssprachlich auch für genervt) fühlen, eine Korrektur: Eigentlich nennt man das Ganze Contentwarnungen – es wird nämlich nicht vor einem spezifischen Trigger gewarnt, sondern vor den Inhalten eines Buches, die für manche Menschen retraumatisierend sein können.
Retraumatisierung bedeutet: Unbewusste Reize (Trigger) lösen sogenannte Flashbacks aus, bei denen sich traumatisierte Menschen an ein traumatisches Ereignis erinnern und die Situation erneut durchleben. Diese Reize (z. B. Gerüche, Geräusche, Umgebungen, Sätze …) sind nicht zwingend in der Erinnerung eines Menschen gespeichert, sondern im Nervensystem – deshalb lassen sie sich nicht immer bewusst vermeiden. Gleichzeitig sind diese Reize oft auch sehr individuell. Autor:innen können unmöglich wissen, welche Wortabfolge oder Handlungen bei anderen Menschen Flashbacks auslösen können.
Trotzdem haben viele traumatische Situationen Gemeinsamkeiten, die sich in Contentwarnungen zusammenfassen lassen, sodass Betroffene selbst entscheiden können, ob sie sich mit den Inhalten eines Buches auseinandersetzen möchten.
Warum brauchen wir Contentwarnungen?
Contentwarnungen dienen demnach in erster Linie dazu, Betroffene vor Retraumatisierung zu schützen. In dem Autor:innen transparent über die Inhalte ihrer Bücher informieren, können Leser:innen bessere Kaufentscheidungen treffen. Contentwarnungen sind also auch eine Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen – in dem du dich empathisch und verantwortungsvoll zeigst, fühlen sich Leser:innen bei dir mitunter sicherer als bei Kolleg:innen, die auf Inhaltshinweise verzichten.
Je nachdem, wie Contentwarnungen formuliert sind, können sie auch bei der Verarbeitung von Traumata helfen. Natürlich sind Autor:innen keine Psycholog:innen und tragen in diesem Sinne keine Verantwortung, aber wenn du in deinen Inhaltshinweisen zum Gespräch über die im Buch enthaltenen Themen ermutigst, kannst du Betroffenen bei der Auseinandersetzung mit ihren Traumata helfen. Ein Beispiel findest du weiter unten.

Was spricht gegen die Verwendung von Contentwarnungen?
Wie eingangs bereits erwähnt, sind Contentwarnungen ein polarisierendes Thema. Einige Autor:innen fühlen sich von der Forderung nach Inhaltshinweisen zensiert, was aber ja nicht stimmt. Es geht nicht darum, gewisse Themen nicht mehr behandeln zu dürfen, sondern nur darum, diese zu kennzeichnen.
Auch sind Trigger mitunter sehr subjektiv, was es unmöglich macht, alles einzuschließen. Viele Themen lassen sich aber mit Obergruppierungen abdecken, sodass sich bereits die Mehrheit von Betroffenen schützen lässt. Besser ein großer Teil als gar keiner, oder?
Ein weiteres Argument ist die Spoiler-Gefahr (Spoiler: Hinweis über den Inhalt, der eine überraschende Wendung vorwegnimmt), die durch Contentwarnungen leider gegeben ist. Dazu muss aber auch gesagt sein, dass die Contentwarnungen in der Regel sowieso nur von den Menschen gelesen werden, die sie brauchen, um eben nicht von einer retraumatisierenden Erzählung überrascht zu werden.
Was haben Contentwarnungen mit Jugendschutz zu tun?
Wenn wir über Inhaltshinweise sprechen, müssen wir auch über Jugendschutz reden. Dank BookTok, süßer Comic-Cover und des Einzugs von Dark-Romance-Büchern in den stationären Buchhandel lässt sich das Thema nicht länger ignorieren.
Da es anders als im Film- und Spielbereich in der Buchbranche keine Instanz gibt, die Bücher entsprechend bewertet, sind sowohl Autor:innen als auch Verlage und der Buchhandel in der Verantwortung, Kinder und Jugendliche vor traumatisierenden Inhalten zu schützen – und das betrifft nicht nur Spice, sondern auch Gewalt und andere Themen, die für gewisse Altersgruppen noch nicht geeignet sind.
Wieso ist Jugendschutz so wichtig?
Das menschliche Gehirn ist erst mit ca. fünfundzwanzig Jahren vollständig ausgereift – was wir in dieser Zeit konsumieren, ist also für unsere Entwicklung prägend. Während manche Kinder und Jugendliche nicht ganz so empfindlich sind, bekommen andere vielleicht schon von gruseligen Szenen in Disney-Filmen Albträume.
Welche Auswirkungen der Konsum von Medien auf Kinder und Jugendliche haben, lässt sich bereits in zahlreichen Studien nachlesen [hier findest du z. B. eine Zusammenfassung mehrerer Studien]. Auch bei Büchern ist das nicht anders. Dark-Romance-Bücher beinhalten z. B. oft Beziehungsdynamiken, die in der Realität alles andere als gesund wären – diese Unterscheidung zu treffen, ist für Jugendliche deutlich schwerer als für Erwachsene, die bereits erste Erfahrungen im Sexualleben gemacht haben [lies hierzu auch: Spice vs. Feminismus? Können erotische Liebesromane feministisch sein?].
Comic-Cover für spicy Liebesromane und Dark-Romance-Titel, die zwischen anderen New-Adult-Liebesromanen im Buchhandel ausliegen, machen es für den Buchhandel und Eltern immer schwieriger, zu entscheiden, welche Bücher für ihre Kinder geeignet sind. Eine entsprechende Deklaration wäre ein großer Schritt in Richtung sicherer Medienkonsum.

Best-Practice-Empfehlungen für Autor:innen und Verlage
Wie könnte also eine entsprechende Deklaration aussehen? Welche Inhalte muss eine Contentwarnung enthalten? An welchen Stellen lassen sich Altersempfehlungen für Leser:innen platzieren?
Wie können Contentwarnungen aussehen?
Eine Inhaltswarnung ist so individuell wie dein Buch selbst. Hier findest du eine Vorlage für eine Contentwarnung, an der ich mich zukünftig orientieren möchte. Du kannst sie nach deinen Vorlieben ergänzen oder einkürzen und die entsprechenden Themen einfügen.
Vorlage Contentwarnung
Dieses Buch enthält Themen, die für manche Menschen retraumatisierend sein können. Falls du auf diese Themen sensibel reagierst, verpasst du nichts, wenn du dieses Buch nicht liest. Solltest du dich trotzdem mit diesen Themen auseinandersetzen wollen, empfiehlt sich unter Umständen ein Gespräch über das Gelesene – mit einem dir vertrauten Menschen oder einer psychotherapeutischen Fachkraft. Passende Kontakte zu Beratungsstellen oder zur Telefonseelsorge findest du weiter unten.
AUFLISTUNG DER THEMEN (hier kannst du auch unterscheiden zwischen „ausgeschrieben/nicht ausgeschrieben“)
Dieses Buch enthält außerdem explizite sexuelle Inhalte, die sich nicht für Leser:innen unter X Jahren eignen. Bitte bedenke, dass ein gesundes, auf Augenhöhe stattfindendes Sexualleben mit Konsens, Kommunikation und Verhütung – wenn nicht anders gewünscht – einhergeht und die Inhalte in diesem Buch ggf. davon abweichen können, um sexuelle Fantasien in einem sicheren Raum erkunden zu können.
Passende Kontakte zu Beratungsstellen oder zur Telefonseelsorge.
Welche Hinweise sollten Contentwarnungen enthalten?
Hier findest du eine ausführliche Liste möglicher Themen, die in eine Contentwarnung aufgenommen werden können. Unterschieden werden kann dabei noch in „ausgeschrieben/nicht ausgeschrieben“ – manche Leser:innen haben nämlich z. B. kein Problem damit, wenn Figuren in der Vergangenheit etwas durchlebt haben, was sie in der Geschichte am Rande erwähnen, während sie aber gewisse traumatische Szenen nicht im Detail lesen können.
Wie lassen sich Altersempfehlungen am besten realisieren?
Altersempfehlungen sind da wichtig, wo über Bücher informiert wird und/oder wo sie gekauft werden. Autor:innen und Verlage tragen genau wie der Buchhandel eine Verantwortung, Bücher der richtigen Zielgruppe zu präsentieren.
Da der Trend der Comic-Cover für explizite Bücher inzwischen schon so verbreitet ist, lässt sich daran sowieso nichts mehr ändern. Was aber jederzeit möglich ist, ist eine passende Deklaration von Büchern: etwa durch einen Aufdruck auf der Rückseite des Buches oder einen ablösbaren Sticker auf dem Buchcover.
Außerdem lassen sich die Altersempfehlungen auch gut in den Meta-Daten eines Buches unterbringen, etwa unter dem Klappentext. Auch im Marketing kann darauf geachtet werden, die Altersempfehlung an geeigneter Stelle zu platzieren, z. B. auf der eigenen Website, in Captions auf TikTok und Instagram oder auf Werbematerial wie z. B. Flyern und Lesezeichen.
Langfristig wäre eine Kennzeichnungspflicht ähnlich der FSK oder USK hilfreich, denn das würde vor allem auch dem Buchhandel sehr dabei helfen, Bücher in die passenden Regale einzusortieren.

Fazit: Normalisierung von Inhaltshinweisen und Altersempfehlungen
Contentwarnungen und Altersempfehlungen sind keine Zensur, sondern eine Form von Transparenz und Verantwortung. Sie helfen nicht nur traumatisierten Menschen, sich bewusst für oder gegen bestimmte Inhalte zu entscheiden, sondern unterstützen auch den Jugendschutz in einer sich wandelnden Buchbranche. Durch BookTok, Trends wie Comic-Cover für explizite Liebesromane und die steigende Popularität von Dark Romance ist es wichtiger denn je, Leser:innen eine informierte Wahl zu ermöglichen.
Während es berechtigte Bedenken hinsichtlich Spoilern und der subjektiven Natur von Triggern gibt, überwiegen die Vorteile einer klaren Kennzeichnung. Letztlich geht es nicht darum, Autor:innen in ihrer kreativen Freiheit einzuschränken, sondern darum, Leser:innen die bestmögliche Leseerfahrung zu bieten. Je früher wir Inhaltswarnungen und Altersempfehlungen als Selbstverständlichkeit in der Buchwelt akzeptieren, desto leichter wird es für alle Beteiligten.
Wie stehst du zu Contentwarnungen und Alterskennzeichnungen? Sollten sie standardisiert werden oder findest du das unnötig? Lass einen Kommentar da. <3
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Auf Instagram poste ich Zusatzmaterial zu den Blogartikeln, Meinungsbeiträge und Updates zu meinen Büchern. TikTok nutze ich immer dann, wenn es neue Bücher gibt – ansonsten bleibt es dort eher ruhig. 🙂