Spice vs. Feminismus? Können erotische Liebesromane feministisch sein?
Knisternde Szenen und große Gefühle – Spicy Romance erfreut sich in den letzten Jahren an immer größerer Aufmerksamkeit. Doch so beliebt, wie diese Bücher inzwischen sind, stellt sich auch immer wieder die kritische Frage: Können erotische Liebesromane feministisch sein? Wie genau passen Leidenschaft und Gleichberechtigung zusammen?
In meinem letzten Artikel habe ich mich der Frage gewidmet, wie politisch Liebesromane eigentlich sind. Aber warte? Du dachtest, es geht hier um Feminismus und nicht um Politik? Du ahnst die Antwort: Feminismus ist politisch. Deshalb kann ich dir sagen: Ja, erotische Szenen können feministisch sein. Nämlich dann, wenn sie entsprechende Werte vertreten und auf problematische Tropes verzichten.
Was feministischen Spice ausmacht, erfährst du in diesem Blogartikel. Lass gerne deine Meinung zum Thema da, damit wir alle voneinander lernen können. <3

Was sind erotische Liebesromane?
Liebesroman ist nicht gleich Liebesroman – genau wie im Liebesleben selbst gibt es auch beim Lesen verschiedene Vorlieben, die sich einerseits in Untergenres auszeichnen, andererseits aber auch im Anteil erotischer Szenen. Bevor wir also darüber reden, was das mit Feminismus zu tun hat, hier erst mal ein paar gängige Begriffe.
Subgenres
Das Genre Liebesroman setzt sich aus einer so großen Vielzahl unterschiedlicher Subgenres zusammen, dass ich hier unmöglich alle auflisten könnte. Zu den bekanntesten gehören:
- Contemporary Romance – zeitgenössische Liebesromane, also alles, was in der Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit spielt und sich nicht einem der anderen Genres zuordnen lässt.
- Sports Romance – Liebesromane, in denen mindestens eine der beiden Hauptfiguren eine Karriere im Profisport anstrebt (z. B. Hockey oder Football) oder bereits für seine/ihre athletischen Leistungen bekannt ist.
- Dark Romance – Liebesromane, bei denen mindestens eine der beiden Hauptfiguren eine düstere Vorgeschichte hat. Gewalt, erotische Szenen und schwere Traumata sind hier keine Seltenheit. Die meisten Bücher eignen sich aufgrund ihrer schweren Themen nicht für Lesende unter 18 Jahren.
- Young Adult Romance – Liebesromane für Teenager, die gerade ihre ersten Erfahrungen in Sachen Liebe machen und sich darüber hinaus mit anderen Themen des Erwachsenwerdens beschäftigen.
- New Adult Romance – Liebesromane für junge Erwachsene, die gerade dem Elternhaus entwachsen (sind) und sich nun auf die Universität oder den ersten Job konzentrieren, während sie ihr Liebesleben navigieren.
- Romantic Suspense – ein Mix aus Liebesroman und Thriller/Krimi, bei dem Spannung und Liebesgeschichte gleichermaßen im Fokus stehen. Oft gerät eine der beiden Hauptfiguren auch in den Verdacht, ein falsches Spiel zu treiben.
- Paranormal Romance – Liebesromane, in denen mindestens eine der Figuren eine übernatürliche Figur ist (z.B. Hexe, Vampir, Werwolf …)
- Romantasy – Liebesgeschichten, die in einer fantastischen Welt spielen. Die Figuren können menschlich, aber auch übernatürlich sein.
- Reverse Harem/Why Choose – Warum einen, wenn Frau auch mehrere Männer haben könnte? In diesen Geschichten verliebt sich die Protagonistin in eine Gruppe aus Männern, die sie in allen erdenklichen Formen teilen. Auch diese Bücher sind oft sehr erotisch und eignen sich nur bedingt für Lesende unter 16 Jahren.

Erotikanteil
Während manche Genres automatisch mehr erotische Szenen enthalten, ist die Menge und Intensität dieser bei anderen sehr variabel. Auch dafür haben sich ein paar Begriffe durchgesetzt:
- Closed Door Romance – Bei der sprichwörtlichen „geschlossenen Tür“ gibt es keine expliziten Szenen. Sie werden hier maximal angedeutet und finden – wenn überhaupt – zwischen den Zeilen statt.
- Fade to Black – Hier wird die Szene kurz eingeleitet und dann „ausgeblendet“. Der Fokus bleibt auf der emotionalen Verbindung, nicht auf der körperlichen Intimität.
- Sensual Romance – Hier gibt es eine deutlichere erotische Spannung und mehr körperliche Intimität, aber die Beschreibungen bleiben eher vage und elegant, ohne zu explizit zu werden.
- Steamy Romance – Die erotischen Szenen sind detaillierter, aber Teil der Handlung und oft eng mit der emotionalen Entwicklung der Figuren verknüpft. Die Erotik steht nicht im Vordergrund der Geschichte, ist aber ein nicht wegzudenkender Bestandteil.
- Erotic Romance – Hier stehen die erotischen Szenen im Zentrum der Geschichte. Die Szenen sind explizit und detailliert, und die physische Anziehung ist ein entscheidender Teil ihrer Entwicklung. Trotzdem gibt es in der Regel eine starke Handlung und emotionale Tiefe.
- Erotica – Im Gegensatz zur Erotic Romance liegt der Fokus hier nur noch auf den erotischen Szenen. Die Handlung ist oft zweitrangig und dient hauptsächlich dazu, die Szenen miteinander zu verbinden.
Diese Unterscheidungen sind hilfreich, um Bücher besser einzusortieren. Viele Verlage handhaben es inzwischen sogar so, dass sie das Spice-Level eines Buches mit Chilischoten bewerten. So können wir als Lesende bessere Kaufentscheidungen nach unseren persönlichen Vorlieben treffen.

Was macht Liebesromane feministisch?
Feministisch können übrigens all diese Subgenres und Erotik-Anteile sein. Was das genau bedeutet, schauen wir uns nun zusammen an.
Starke, vielschichtige Protagonistinnen
- Selbstbestimmung – Die weibliche Hauptfigur trifft Entscheidungen für sich selbst, unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen oder männlichen Figuren.
- Komplexität – Die Protagonistin ist nicht eindimensional, sondern hat Stärken, Schwächen, Ziele und ein Leben unabhängig von der Liebesbeziehung.
- Karriere & Identität – In feministischen Liebesromanen opfern Frauen ihre beruflichen und persönlichen Ambitionen nicht für eine Beziehung.
- Keine naive Jungfrau – Die weibliche Hauptfigur darf sexuelle Vorerfahrungen haben und nicht länger „unschuldig“ und „rein“ sein.
Starke Frauenfreundschaften
- Zusammenhalt – Weibliche Nebenfiguren agieren nicht als Konkurrentinnen oder Feindinnen, sondern als Freundinnen und Support.
- Slut- und Bodyshaming – Andere weibliche Nebenfiguren werden weder für ihre Körper noch für ihr Sexualverhalten minderwertig dargestellt.
Respektvolle Beziehungen
- Gegenseitiger Respekt – Die Liebesbeziehung ist auf Augenhöhe und basiert auf Respekt und gegenseitigem Support. Beide Partner tragen zur Beziehung bei, und Machtungleichgewichte (z. B. finanzieller Natur) werden thematisiert oder bewusst vermieden.
- Kommunikation – Die Paare reden offen miteinander (auch über ihr Sexleben) und lösen Konflikte respektvoll und erwachsen.
- Consent (Einwilligung) – Eine klare Zustimmung bei intimen Szenen wird thematisiert und genauso wie Verhütung als selbstverständlicher Bestandteil in erotischen Momenten dargestellt.
- Sexualität und Lust – Weibliche Lust wird nicht tabuisiert, sondern gefeiert. Intime Szenen fokussieren sich darauf, dass beide Partnerpersonen gleichberechtigt genießen können.
- Keine sexuelle Doppelmoral – Sowohl Frauen als auch Männer dürfen sexuelle Erfahrungen haben, niemand wird dafür verurteilt.
Dekonstruktion von Geschlechterrollen
- Stereotypen brechen – Traditionelle Geschlechterklischees werden hinterfragt oder auf den Kopf gestellt. Frauen können z. B. dominant, ehrgeizig oder emotional unabhängig sein, während Männer verletzlich, fürsorglich oder sensibel dargestellt werden.
- Vielfalt – Es gibt Raum für Charaktere, die nicht in die traditionellen Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit passen. Bonus-Punkte gibt es, wenn es sich dabei um die Hauptfiguren handelt.
Kritik an patriarchalen Strukturen
- Gesellschaftliche Kritik – In feministischen Liebesromanen werden oft die Herausforderungen beleuchtet, mit denen Frauen (oder andere marginalisierte Gruppen) in patriarchalen Strukturen konfrontiert sind, z. B. Sexismus oder Diskriminierung.
- Empowerment – In diesen Geschichten behaupten sich die Frauen in diesen Systemen und finden ihren Platz.
- Keine Objektivierung – Frauen werden als Person ernst genommen, nicht auf Körper, Aussehen oder Sexualität reduziert.
Diversität und Inklusion
- Repräsentation – Feministische Liebesromane zeigen oft Figuren mit verschiedenen ethnischen Hintergründen, sexuellen Orientierungen, Körperformen und Lebensrealitäten.
- Intersektionalität – Unterschiedliche Identitäten (z. B Geschlecht, Ethnie, Klasse) prägen die Lebensrealitäten und Herausforderungen Einzelner, und das wird in feministischen Liebesromanen nicht ignoriert.
- Mentale Gesundheit – In diesen Geschichten geht es auch oft um mentale Gesundheit und Selbstfindung.
Kritik an toxischer Männlichkeit
- Klischeehafte Alphamännchen – Diese findet man in feministischen Liebesromanen nur bedingt. Stattdessen sind die Männer oft einfühlsam, bereit zu lernen und offen für Veränderungen. Wenn toxische Verhaltensweisen vorkommen, werden sie thematisiert und hinterfragt.
- Retter-Narrativ – Die Frauen helfen sich selbst, sie brauchen die Hilfe eines Mannes nicht, um gerettet oder „vervollständigt“ zu werden. Es geht vielmehr darum, wie sie ihre Leben gegenseitig bereichern, ohne ihre Unabhängigkeit zu verlieren.
Happy Ending auf neuen Wegen
- Während in Liebesromanen ein Happy Ending erwartet wird (sonst ist es ein Drama!), muss dieses nicht unbedingt in der klassischen Paarbeziehung und mit einem Heiratsantrag oder einer Schwangerschaft enden. Feministische Liebesromane lassen Spielraum für offene Enden, Selbstverwirklichung oder die Wahl eines unkonventionellen Lebensweges.
Du siehst: Ein feministischer Liebesroman ist nicht nur romantisch, sondern auch progressiv und respektvoll – ein Spiegel moderner, gleichberechtigter Beziehungen.

Warum sind also Liebesromane, die Feminismus und Erotik verbinden, so wichtig?
Feministische, spicy Liebesromane sind mehr als nur unterhaltsame Geschichten – sie zeigen, dass Erotik und Gleichberechtigung Hand in Hand gehen können. Die Selbstbestimmung der Frau steht im Mittelpunkt: Frauen dürfen Lust und Leidenschaft frei ausleben, ohne auf traditionelle Klischees reduziert zu werden. Eine starke Botschaft, insbesondere für junge Erwachsene, die sich erst noch selbst finden müssen.
Ein gesundes, auf Augenhöhe stattfindendes Sexualleben steht im Vordergrund. Consent, Kommunikation und Verhütung werden als selbstverständlich dargestellt – was sie auch im echten Leben sein sollten.
Auch der Bruch mit toxischen Mustern, die in Liebesromanen immer noch oft romantisiert werden, bietet neue Perspektiven. Indem Machtverhältnisse hinterfragt und problematische Stereotype bewusst vermieden werden, wird Platz geschaffen für komplexe, facettenreiche Figuren – und damit auch automatisch spannendere Geschichten.
Besonders wichtig ist auch die Vielfalt, die in diesen Büchern zelebriert wird. Sie repräsentieren Figuren unterschiedlicher Herkunft, Körperformen und Lebensentwürfe, so dass Lesende sich selbst in diesen Geschichten wiederfinden und neue Perspektiven gewinnen können.
Feministische, spicy Liebesromane sind also nicht nur spannend und sinnlich, sondern setzen ein Zeichen: für Respekt, für Selbstbestimmung und für die Liebe, die so bunt ist wie das Leben selbst. Sie sind der Beweis dafür, dass Leidenschaft und Gleichberechtigung sich nicht ausschließen müssen, sondern hinterfragen, inspirieren und machen Lust auf mehr – im zweideutigen Sinne. 😉

Frage an dich
Welche Bücher fallen dir ein, die diese Werte vertreten? Oder schreibst du vielleicht sogar selbst feministische Geschichten (mit oder ohne Spice)? Teile deine Gedanken gerne in den Kommentaren – ich freue mich auf den Austausch.
Um keine Artikel und News mehr zu verpassen, melde dich doch gerne für den Newsletter an 🙂
Weitere Artikel
- Die wichtigsten Romance-Tropes auf einen Blick
- Spice vs. Feminismus? Können erotische Liebesromane feministisch sein?
- Ist Lesen politisch? Warum Liebesromane mehr als Unterhaltung sind
- Vom Blogroman zur Selbstständigkeit als freiberufliche Autorin: (m)ein Neuanfang mit einem WG Liebesroman
- Die sichtbaren und unsichtbaren Kosten von Büchern mit Farbschnitten